Geisterteilchen als faszinierende Lichter und Klänge
Forschungsdaten übersetzt in eine begehbare Licht-und-Klang-Installation
2019-02-05 – Nachrichten aus dem Physik-Department
444 illuminierte Lautsprecher in der „Reaktorhalle“ der Hochschule für Musik und Theater München nehmen die Struktur des IceCube Neutrino Observatoriums tief im ewigen Eis des Südpols auf und übersetzen die Daten dieses größten Observatoriums der Welt in einen vibrierenden Raum von Klängen und Farben.
Das Neutrino-Observatorium IceCube in der Antarktis beobachtet hochenergetische Neutrinos. Lange rätselte die Wissenschaft, welche kosmischen Ereignisse Teilchen auf so hohe Energien beschleunigen können. Im vergangenen Jahr gelang es ihnen erstmals, ein Objekt in vier Milliarden Lichtjahren Entfernung als Ursprung zu identifizieren.
In der absoluten Dunkelheit, tief im arktischen Eis, misst IceCube minimale Lichtblitze, ausgelöst von Neutrinos, die aufgrund ihrer schwachen Wechselwirkung mit anderer Materie auch „Geisterteilchen“ genannt werden. Milliarden von Neutrinos durchfliegen jede Sekunde unbemerkt unseren Körper und durchdringen auch problemlos die ganze Erde.
Begehbare Licht- und Klang-Installation
Mit der Installation AIS3 [aiskju:b] nimmt Tim Otto Roth die Struktur des einen Kubikkilometer großen IceCube Neutrino Observatoriums auf, das mit seinen mehr als 5.000 Lichtsensoren bis zu drei Kilometer tief in das Eis des Südpols eingefroren ist. An jedem der 37 Drahtseile hängen 12 kugelförmige Lautsprecher. Zusammen spannen sie eine begehbare Sound- und Lichtinstallation mit einem Volumen von 8 x 8 x 7 Kubikmeter auf.
In diese Installation sind jüngste Daten aus dem IceCube-Experiment eingespeist, welche die gemessenen Neutrino-Energien in Lichter und Klänge übersetzen, die je nach Position im Raum zu unterschiedlichen Klangfarben verschmelzen. Die Besucher können sich frei in und um die Installation bewegen und auf diese Weise nicht nur eine einzigartige Perspektive auf die Geschehnisse in IceCube bekommen, sondern werden zugleich unsichtbarer Prozesse bewusst, die uns tagtäglich umgeben.
Unsichtbares erfahrbar machen
„Unsichtbares verständlich zu machen und darzustellen, ist die Herausforderung, vor der wir Astroteilchenphysiker stehen, wenn wir erklären wollen, was wir erforschen. AIS3 [aiskju:b] ist ein außergewöhnliches Erlebnis, das das IceCube Experiment in eindrücklicher Weise sinnlich erfahrbar macht“, sagt Prof. Elisa Resconi, die mit ihrer Forschungsgruppe an der Technischen Universität München Mitglied des internationalen Kooperationsprojekts IceCube ist.
„Ich freue mich, dass ich nach meinem ersten großen Projekt mit Astrophysikern, „I see what I see not“, an der Kunstfassade von Serviceplan, nach 15 Jahren wieder eine Kooperation mit Teilchenphysikern in München zeigen kann“, freut sich der Komponist und Konzeptkünstler Tim Otto Roth auf die Präsentation von [aiskju:b].
„Die überwältigende Resonanz, die ich nicht nur von staunenden Besuchern aller Altersklassen, sondern auch von Physikern, Kunsthistorikern und Kuratoren nach der Premiere in Berlin erfahren habe, lässt mich erwartungsvoll auf die Präsentation in der Reaktorhalle blicken,“ sagt Tim Otto Roth.
Mehr Informationen
Die Ausstellung wird gefördert von: Hauptstadtkulturfonds, Schering Stiftung, DESY Deutsches Elektronen-Synchrotron, European Astroparticle Consortium APPEC, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Hamamatsu, F. Victor Rolff-Stiftung, Technische Universität München, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Sonderforschungsbereich SFB1258 Neutrinos und Dunkle Materie in Astro- und Teilchenphysik. Die Ausstellung findet in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater München statt.
- Redaktion
- Petra Riedel, Dr. Andreas Battenberg