Erster XXL-GEM-Detektor für ALICE
2015-05-07 – Nachrichten aus dem Physik-Department
Die weltweit größte Zeitprojektionskammer (Time Projection Chamber, TPC) ist der wichtigste Bestandteil des Experiments ALICE am CERN, welches die Spuren und die Geschwindigkeiten schneller geladener Teilchen aufzeichnet. Diese Teilchen entstehen, wenn Blei-Ionen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit aufeinander prallen. Nur bei den hierbei entstehenden extremen Temperaturen und Teilchendichten kann die starke Kernkraft überwunden werden, so dass die Protonen und Neutronen der Blei-Kerne kurzzeitig in ein Plasma aus „freien“ Quarks und Gluonen übergehen. Beim anschließenden Auseinanderstreben und Abkühlen entstehen einige tausend Teilchen, etwa Elektronen, Photonen oder Pionen.
Die bisherige MWPC-Auslesekammer (Multi Wire Proportional Chamber) der TPC wird jedoch den gestiegenen Anforderungen demnächst nicht mehr gewachsen sein: Ab dem Jahr 2019 werden am LHC Ionen-Strahlen produziert, deren Blei-Ionen-Pakete 50 000 Mal pro Sekunde (50 kHz) kollidieren. Diese Rate ist rund 100 Mal höher, als der bisherige MWPC-basierte Detektor auslesen kann. Um die Existenz des Quark-Gluon-Plasmas nachzuweisen, ist es jedoch entscheidend, alle entstandenen Teilchen charakterisieren zu können. Die erhöhte Luminosität kann daher nur durch eine deutliche Steigerung der Ausleserate der Zeitprojektionskammer voll ausgeschöpft werden. Die bisherige Auslesekammer soll daher durch einen Detektor auf GEM-Basis (Gas Electron Multiplier) ersetzt werden, der, anders als die bisherige Technologie, kontinuierlich Daten aufnehmen kann.
Zur Entwicklung eines einsatzfähigen GEM-Detektors führt die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Laura Fabbietti an der TUM daher ein umfangreiches Forschungs- und Entwicklungsprogramm an. Ein erster Meilenstein wurde nun im April 2015 erreicht: der Prototyp des größten Moduls der 36 Detektorelemente für den Einsatz am Experiment ALICE ist fertig. Mit einer aktiven GEM-Detektorfläche von 0,68 Quadratmetern ist dieser der größte jemals gebaute GEM-Detektor. Der Zusammenbau dieses Prototyps für die äußere Auslesekammer (Outer Read-out Chamber, OROC) fand im Rahmen des Workshops “School of ROC” vom 8. März bis 17. April 2015 in Zusammenarbeit mit dem Zentralen Technologie Labor (ZTL) unter der Leitung von Dr. Roman Gernhäuser (TUM) statt.
40 Physiker, Ingenieure und Techniker von elf Instituten aus Deutschland, Schweiz, Rumänien, Ungarn, USA und Brasilien trafen sich am Physik Department der TUM und am CERN. Koordiniert von Dr. Piotr Gasik, Wissenschaftler in der Gruppe von Prof. Dr. Laura Fabbietti, testeten und rahmten die Teilnehmer zwölf GEM-Folien für die äußere Auslesekammer. Diese Folien wurden anschließend am CERN in jeweils vier Lagen zu einem dreifach segmentierten Prototyp einer äußeren Auslesekammer montiert. Erste Tests verliefen erfolgreich.
Insgesamt beträgt die benötigte Auslesefläche 34 Quadratmeter, wofür insgesamt 137 Quadratmeter GEM-Folie verarbeitet werden müssen, in die insgesamt knapp 4 Milliarden Löcher von Mikrometer-Größe eingeätzt sein werden. Mit den im Rahmen des Workshops erworbenen Kenntnissen wollen die Teilnehmer im kommenden Jahr die weiteren 35 benötigten Detektor-Segmente herstellen und testen. Der neue GEM-Detektor soll dann nach dem LHC-Upgrade im Jahr 2019 die alte Technik ersetzen.
- Redaktion
- Petra Riedel Dr. Johannes Wiedersich
Verwandte Meldung
Kontakt
- Prof. Dr. Laura Fabbietti
- Physik-Department and Exzellenzcluster UniverseTechnische Universität MünchenBoltzmannstr. 285748 GarchingTel.: +49 89 35831-7118E-Mail: laura.fabbietti@ph.tum.de