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Simulationen mit Quantencomputer

Quantenprozessor liefert Einblicke in exotische Zustände in Quantenmaterialien

2021-12-07 – Nachrichten aus dem Physik-Department

Während die Anzahl der Qubits und die Stabilität der Quantenzustände die derzeitigen Quantencomputer noch begrenzen, gibt es Fragen, in denen diese Prozessoren ihre enorme Rechenleistung bereits nutzen können. In Zusammenarbeit mit dem Google Quantum AI Team haben Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und der University of Nottingham mit einem Quantenprozessor den Grundzustand eines sogenannten Toric Code-Hamiltonian simuliert – ein archetypisches Modellsystem in der modernen Physik der kondensierten Materie, das ursprünglich im Zusammenhang mit der Quantenfehlerkorrektur vorgeschlagen wurde.

Prof. Frank Pollmann, Prof. Michael Knap und Yujie Liu im Physik-Department der TUM
Die Co-Autoren Prof. Frank Pollmann, Prof. Michael Knap und Yujie Liu im Physik-Department auf dem Forschungscampus Garching der Technischen Universität München. – Bild: A. Heddergott / TUM

Wie wäre es, in einer flachen, zweidimensionalen Welt zu leben? Physiker sagen voraus, dass die Quantenmechanik in diesem Fall noch seltsamer wäre. Beispielsweise würde es exotische Teilchen geben, sogenannten „Anyons“, die es in unserer dreidimensionalen Welt nicht gibt. Doch diese unbekannte Welt ist nicht nur eine Kuriosität, sondern möglicherweise der Schlüssel zu Erschließung von Quantenmaterialien und -technologien der Zukunft.

In Zusammenarbeit mit dem Google Quantum AI Team haben Wissenschaftler der Technischen Universität München und der University of Nottingham einen gut kontrollierbaren Quantenprozessor eingesetzt, um solche Quantenmaterie-Zustände zu simulieren. In der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift “Science” stellen sie ihre Ergebnisse vor.

Quantenteilchen in zweidimensionalen Systemen

Alle Partikel in unserer dreidimensionalen Welt sind entweder Bosonen oder Fermionen. Jedoch wurde bereits vor fast 50 Jahren theoretisch vorhergesagt, dass andere Arten von Teilchen, die sogenannten Anyons, existieren könnten, wenn Materie auf zwei Dimensionen beschränkt ist.

Solche zweidimensionalen Systeme sind die sogenannten topologischen Phasen der Materie, deren Entdeckung 2016 mit dem Nobelpreis gewürdigt wurde. Hier können Anyon-Teilchen als kollektive Anregungen entstehen.

„Das Verdrehen von Paaren dieser Anyons durch Umeinanderbewegen in der Simulation enthüllt ihre exotischen Eigenschaften – Physiker nennen das Flechtstatistiken“, sagt Dr. Adam Smith von der University of Nottingham.

Ein einfaches Bild für diese kollektiven Erregungen ist die „La Ola-Welle“ eines Stadionpublikums – sie hat eine genau definierte Position, aber sie kann ohne die Tausenden von Menschen nicht existieren, aus denen sich die Menge zusammensetzt. Die experimentelle Realisierung und Simulation solcher topologisch geordneter Zustände hat sich jedoch als äußerst schwierig erwiesen.

Quantenprozessoren als Plattform für kontrollierte Quantensimulationen

In wegweisenden Experimenten programmierten die Teams der TUM, der University of Nottingham und von Google Quantum AI den Quantenprozessor von Google, um diese zweidimensionalen Zustände der Quantenmaterie zu simulieren.

„Googles ‚Sycamore‘ Quantenprozessor kann präzise gesteuert werden und ist ein gut isoliertes Quantensystem, was eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung von Quantenberechnungen ist“, sagt Erstautor Kevin Satzinger, ein Wissenschaftler aus dem Google-Team.

Mit dem von ihnen entwickelten Quantenalgorithmus konnte das Forschungsteam schließlich Zustände mit topologischer Ordnung realisieren, Anyon-Anregungen simulieren und gegeneinander verdrehen. Die Simulation zeigte auch die Auswirkungen weitreichender Quantenverschränkung. Eine mögliche Anwendung solcher topologisch geordneter Zustände sind neue Methoden der Fehlerkorrektur, um Quantencomputer zu verbessern. Erste Schritte in Richtung dieses Ziels wurden in der publizierten Arbeit bereits erreicht.

„Schon bald werden Quantenprozessoren eine ideale Plattform darstellen, um die Physik exotischer Phasen von Quantenmaterialien zu erforschen“, sagt Frank Pollmann, Professor für theoretische Festkörperphysik an der TUM. „In naher Zukunft versprechen Quantenprozessoren, Probleme zu lösen, die für die heutigen klassischen Supercomputer unerreichbar sind.“

Redaktion
Dr. Andreas Battenberg
Experimentell gemessene Paritätswerte für ein 31-Qubit-Gitter im Grundzustand des torischen Codes.
Experimentell gemessene Paritätswerte für ein 31-Qubit-Gitter im Grundzustand des torischen Codes. Die Qubits („ד) werden auf die Glieder eines quadratischen Gitters gelegt. Die Paritätserwartungswerte der Stern- und Plakettenoperatoren werden als blaue bzw. violette Kacheln angezeigt. Der durchschnittliche Wert von 0,92 ±0,06 zeigt, dass die Simulation auf allen Kacheln dem Grundzustand mit exakter Parität von 1.0 sehr nahe kommt. – Bild: Google Quantum AI

Veröffentlichung

Realizing topologically ordered states on a quantum processor
K. J. Satzinger, Y.-J Liu, A. Smith et al.

Weitere Informationen

Die Forschungsarbeiten wurden gefördert durch das European Research Council (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters Munich Center for Quantum Science and Technology (MCQST) sowie des transregionalen Sonderforschungsbereichs TRR 80, durch die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) über die International Max Planck Research School for Quantum Science and Technology (IMPRS-QST) und das Institute for Advanced Study der Technischen Universität München. Weitere Förderungen kamen von der Royal Commission for the Exhibition of 1851, dem Walter Burke Institute for Theoretical Physics at Caltech und dem IQIM, einem NSF Frontier Center, das von der Gordon und Betty Moore Foundation, der Packard Foundation und der Simons Foundation. Die beiden TUM-Autoren, Prof. Michael Knap und Prof. Frank Pollmann sind Mitglieder der Initiative Munich Quantum Valley und des Exzellenzclusters Munich Center for Quantum Science and Technology.

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