Quantenströme: Oberflächlich und einzigartig
2015-03-27 – Nachrichten aus dem Physik-Department
Vor rund zehn Jahren entdeckten Wissenschaftler eine Materialgruppe mit ungewöhnlichen Eigenschaften, die „topologischen Isolatoren“. Ihr Inneres wirkt als Isolator, aber die obersten zwei, drei Nanometer leiten Strom überdurchschnittlich gut. Der Gruppe von Prof. Alexander Holleitner (TUM und Nanosystems Initiative Munich) ist es jetzt erstmals gelungen, diese Ladungsflüsse mit Pikosekunden-Auflösung und bei Raumtemperatur zu messen. Dabei machten sie zudem die Aufsehen erregende Entdeckung, dass sie die Richtung des Stromflusses mit Hilfe eines polarisierten Laserstrahls steuern können.
Die bekanntesten Vertreter für topologische Isolatoren sind Bismut-Selenid oder -Tellurid. Für die außergewöhnlich hohe Leitfähigkeit ihrer Oberfläche machen Wissenschaftler ein Phänomen der Quantenphysik verantwortlich. Sie konnten beobachten, dass alle Elektronen, die sich in den Oberflächenschichten bewegen, einen eindeutig festgelegten Spin haben. Hierbei unterscheiden sie sich laut Fachsprache „topologisch“ von Elektronen im Inneren der Materialien. Und von diesem Spin hängt ab, in welche Richtung ein Elektron an der Oberfläche wandert. Ein Teilchen mit positivem Spin wandert stets in die entgegengesetzte Richtung wie ein Teilchen mit negativem Spin. „Die Richtung der Photoströme lässt sich mit der Polarisation des Lichts kontrollieren. Das liegt an der Kopplung der elektronischen Bewegungsrichtung mit dem Spin“, sagt Alexander Holleitner.
Stromfluss fast ohne Widerstand
In normalen Leitern wird stets ein Teil der Elektronen zurückgestreut, beispielsweise an Fehlern im Material, so dass ein natürlicher Widerstand entsteht. Die Elektronen in topologischen Isolatoren hingegen lassen sich aufgrund der festen Kopplung von Spin und Bewegungsrichtung durch nichts aufhalten. Und so fließt der Strom hier quasi störungsfrei unter Idealbedingungen. „Dadurch, dass kaum Elektronen zurückgestreut werden, sinkt unter anderem der Energieverbrauch. Und das könnte beispielsweise für den Einsatz dieser Materialien als Halbleiter in der Hochleistungs-Datenverarbeitung interessant werden“, erklärt Erstautor Christoph Kastl, der gemeinsam mit seinem Kollegen Christoph Karnetzky die Versuche durchgeführt hat.
Messung im Pikosekunden-Takt
Die Münchner Physiker nutzen eine selber entwickelte Messmethode, mit der sie minimale elektrische Ströme direkt und mit Pikosekunden-Auflösung detektieren können. Für ihren aktuellen Versuch spannten sie einen topologischen Isolator zwischen zwei Elektroden und regten das Material mit einem polarisierten Femtosekunden-Laser an. Über einen speziellen Schaltkreis konnten die Wissenschaftler in Echtzeit verfolgen, wie sich der Strom innerhalb von Pikosekunden ausbreitet. Normalerweise dominieren eigentlich thermoelektrische Ströme im Materialinneren, die zeitlich kurz nach den Oberflächen-Strömen fließen. Die Münchner Physiker konnten dank ihrer zeitlich enorm hochauflösenden Methode die beiden Ströme erstmals getrennt messen. Ihre experimentellen Ergebnisse könnten in Zukunft beispielsweise in die Entwicklung neuartiger spintronischer und thermo-elektrischer Schaltkreise einfließen
Veröffentlichung
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Kontakt
- Prof. Alexander Holleitner
- Walter Schottky Institut / Physik-DepartmentTechnische Universität MünchenAm Coulombwall 4 aD-85748 GarchingTel: 089/289-11575Mail: holleitner@wsi.tum.de
Förderung
Die Experimente sind durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des DFG Projekts 3324/8-1 innerhalb des Schwerpunkts SPP 1666 und des Excellenzclusters “Nanosystems Initiative Munich“ (NIM) und durch den Europäischen Wissenschaftsrat (ERC Grant “NanoREAL“) finanziell gefördert. Der Ko-Autor Dr. H. Karl arbeitet an der Universität Augsburg.