Morphologie im Nanobereich formen
Gezielte Nachbehandlung ändert Nanostruktur dünner Polymerfilme
2018-05-08 – Nachrichten aus dem Physik-Department
Polymerfilme sind weitverbreitet und finden in vielfältiger Weise in verschiedenen Gebieten Anwendung, u.a. als Photolacke in der Lithographie, als Sensoren oder als Schmiermittel. Je nach Anforderung weisen sie oft komplexe Nanostrukturen auf – also Strukturen im Bereich weniger Nanometer – die aus unterschiedlichen Polymeren bestehen. Solche nanostrukturierten dünnen Filme könnten in der Chip-Herstellung verwendet werden und die aktuell verwendete Technologie, die auf optischen Masken beruht, ersetzen. Weltweit entwickeln zahlreiche Gruppen solche nanostrukturierten Photolacke. Hierbei sind Methoden wichtig, mit denen flexibel nanostrukturierte Filme bestimmte Morphologie präpariert werden können.
Erzeugung von Nanostrukturen durch Selbstassemblierung
Polymere sind Makromoleküle, die aus vielen (daher “Poly”) kleinen Einheiten bestehen, den Monomeren. In gewöhnlichen Polymeren sind alle Monomere identisch. Diblockcopolymere sind eine spezielle Klasse von Polymeren: Sie bestehen aus zwei chemisch verschiedenen Polymeren, die chemisch aneinander gebunden sind.
Eine interessante Eigenschaft von Diblockcopolymeren ist die Mikrophasenseparation: Unter gewissen Umständen ist es für die beiden Blöcke vorteilhaft, sich zu entmischen. Da sie allerdings chemisch aneinander gebunden sind, kann diese Phasenseparation nur auf kleiner Längenskala vor sich gehen. So bilden sich Strukturen auf der Skala weniger Nanometer, z. B. Zylinder auf einem hexagonalen (wabenförmigen) Gitter oder Lamellen.
Solche Nanostrukturen bilden sich durch Selbstassemblierung während der Präparation der Filme aus Lösung. Daher sind keine raffinierten oder kostspieligen Technologien für das Nanopatterning nötig. Jedoch weisen die so präparierten Filme oft keine langreichweitige Ordnung auf. Eine Nachbehandlung ist nötig, z. B. durch Behandlung mit Lösungsmitteldämpfen. Es kann jedoch schwierig sein, für ein bestimmtes Blockcopolymer ein geeignetes Lösungsmittel zu finden – sein Dampfdruck muss genügend hoch sein, außerdem muss es eine gewisse Selektivität für einen der beiden Blöcke aufweisen und mit einer bestimmten Produktionsumgebung kompatibel sein.
Zwei Lösungmittel für die Dampfbehandlung...
Die Gruppe von Professor Christine M. Papadakis am Physik-Department der TUM hat eine Lösung gefunden, um diese Einschränkungen zu überwinden: In ihrer aktuellen Arbeit, die in der Fachzeitschrift „Advanced Functional Materials“ erschienen ist, zeigen sie, dass die Verwendung von Mischungen von Lösungsmitteln in der Dampfbehandlung dünner Filme aus Blockcopolymeren wesentlich zahlreiche Möglichkeiten bietet, deren Nanostrukturen genau einzustellen
... ermöglichen die Herstellung verschiedener Morphologien
Durch schrittweise Veränderung des Mischungsverhältnisses der beiden Lösungsmittel wandelt sich die innere Struktur des Films von der ursprünglichen zylindrisch hexagonalen in eine lamellare Morphologie um. Diese strukturellen Änderungen wurden in situ und in Echtzeit beobachtet. Da die Strukturen zu klein sind, um sie direkt mit Licht abzubilden, wurde eine raffiniertere Technik eingesetzt: Röntgenkleinwinkelstreuung unter streifendem Einfall (GISAXS) erlaubt die Untersuchung von Strukturen bis hinunter zu wenigen Nanometern.
Die periodischen zylindrischen oder lamellaren Nanostrukturen führen zu charakteristischen Bragg-Reflexen. Mehrere Fragen stellten sich: Wieviel Lösungsmittel nimmt der Blockcopolymerfilm auf? Wie sind die beiden Lösungsmittel im Film über die beiden Arten von Nanodomänen verteilt? Welche Zusammensetzung muss der Dampf haben, um die Zylinder so weit zu quellen, damit sie sich in Lamellen umwandeln? Diese Fragen konnten beantwortet werden, indem Form und Position der Bragg-Reflexe im Detail ausgewertet wurde, sowie mit komplementären Computersimulationen.
Das neu entwickelte Konzept kann auf andere funktionelle Polymer-Lösungsmittel-Systeme übertragen werden. Ein verbessertes Verständnis der Dampfbehandlung solcher Filme ist notwendig, um geeignete Parameter für die effiziente Herstellung nanostrukturierter Filme für die jeweilige Anwendung zu identifizieren.
Weiterführende Informationen
Diese Arbeit entstand in enger Zusammenarbeit von Prof. Christine M. Papadakis mit Prof. Dorthe Posselt (Roskilde University, Dänemark) und Prof. Detlef-M. Smilgies (Cornell High Energy Synchrotron Source, Cornell University, USA).
Diese Forschung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Danish Centre for the Use of Synchrotron X-ray and Neutron Facilities (DANSCATT), und dem Programm Master in Materials Science Exploring Large Scale Facilities (MaMaSelf) finanziell unterstützt. Die experimentellen Arbeiten wurden an der Cornell High Energy Synchrotron Source (CHESS) durchgeführt. Das Supercomputing Center der Moscow State University erteilte Zugang zum Supercomputer Lomonosov, wo die Computersimulationen durchgeführt wurden.